Freitag, 14. Dezember 2012

Fazit

Nach ein paar Tagen zurück im eisigen Deutschland wird es Zeit für ein kurzes Resumee. In 22 Tagen bin ich 1444 Kilometer auf dem Rad gefahren mit insgesamt 14800 erkletterten Höhenmetern. Einschließlich Bahnanreise, Flug , Fahrradmitnahme und allen Kosten unterwegs hat mich der Urlaub keine 1000 Euro gekostet, und mit ein paar Zeltübernachtungen mehr wäre er noch billiger gewesen. Günstig war der Urlaub also, aber war er auch gut?
Beim nächsten Mal würde ich mit Sicherheit eine etwas wärmere Jahreszeit aussuchen, 4 Wochen vor Weihnachten ist Marokko für einen Zelturlaub einfach zu kalt. Auf Grund der Höhenlage des von mir bereisten Südosten liegen die Nächte teils nur knapp über dem Gefrierpunkt, manchmal hatte das Thermometer auch tagsüber Schwierigkeiten, in den zweistelligen Bereich vorzudringen.
Großartig fand ich die Landschaft im Hohen Atlas mit schneebedeckten Bergen und Schluchten, und auch die Wüste an der Grenze zu Algerien hatte ihre Reize. Vermisst habe ich in dieser kargen Umgebung die wilden Tiere. Nur wenige Vögel außerhalb der Städte und Oasen, gelegentlich mal ein scheues Streifen-Hörnchen, einige Schmetterlinge und Libellen und gelegentlich ein Käfer. Wenn dann auch noch die Menschen verschwunden blieben wie auf meinem Trip entlang der algerischen Grenze, dann war es schon sehr einsam.
Überhaupt die Menschen! Auf Grund der Route und der Jahreszeit habe ich nur relativ wenige andere Touristen getroffen und war meist alleine im Hotel oder der Auberge. Der Kontakt unterwegs mit den Marokkanern beschränkte sich auf Hupen, ein Handzeichen , den Daumen hoch oder ein kurzes Wort durch die Fensterscheibe. Genau dasselbe Bild bei den Menschen in den Dörfern, "bonjour" und "ca va?", und das war es dann auch schon. Wenn sich wirklich mal einer zu einem Gespräch gefunden hatte, dann wollte er fast immer etwas verkaufen oder "business" machen. Niemand, der sich für den Fremdling und dessen Kultur interessierte, und auch keiner, der mir seine Sicht von Marokko und sein Leben dort nahebringen wollte. Sehr, sehr schade fand ich das, und ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich dieses Gefühl in einem andern Land schon einmal so stark hatte.
Die Lebensbedingungen der Nomaden und Hirten in Marokko sind brutal hart. Während aber offenbar der Marokkaner das als gegeben hinnimmt und auch nicht angebettelt wird, werden Touristen beschimpft, wenn sie keine Dirham springen lassen. Wo soll man den Unterschied machen? In jedem Dorf machen sich die Kinder einen Spass daraus, zum Rad zu laufen und Stylo, Dirhams oder Bonbons zu fordern, manchmal mit Festhalten am Gepäck und dem Versuch, Stöcke zwischen die Speichen zu schieben. Keines von diesen Kindern hat nichts zu essen. Wer immer das angefangen hat, es wird bestimmt nicht aufhören, wenn die Touristen diesen Forderungen nachgeben. Andererseits haben die Nomaden manchmal wirklich nichts zu essen.
Beschimpft wurde ich des öfteren auch von Frauen, die Angst hatten, ich würde sie photographieren. Ich hatte immer gefragt, wenn ich näher dran war, und meistens wurde es abgelehnt, was ich auch akzeptiert hatte. Für Dirham hätten sich viele doch knipsen lassen, aber bezahlt habe ich für Bilder grundsätzlich nie und beispielsweise auf dem Djamaa-el-Fna den Photo erst gar nicht ausgepackt. Solche Beschimpfungen haben auch dazu beigetragen, dass ich mich bei den Marokkanern nicht willkommen fühlte.
Nach einem Probe-Urlaub an der Ostsee mit Ulli war Marokko der erste wirkliche Test, ob das Fahrrad für meine zukünftigen Reisen das geeignete Transportmittel ist. 35 kg Gepäck plus meine Wenigkeit, und dann gleich am zweiten Tag auf den Tizi N'Tichka mit 2260m, das war sicher eine Selbstüberschätzung, die ich auf dem Weg nach oben bitter bereut habe. Beim nächsten Mal würde ich versuchen, 10 - 15 kg weniger Gepäck mitzunehmen, das erleichtert vieles. Eine weitere Erfahrung machte ich bei Zagora, als der Wind 2 Tage lang direkt von vorne kam und mich völlig zermürbte. An so etwas hatte ich einfach nicht gedacht, und beim nächsten Mal würde ich mir einfach etwas mehr Zeit nehmen und solche Tage im Hotel verbringen. Nachdem es mir zum Zelten meist zu kalt war, wurde die Etappenlänge durch die nächste Auberge bestimmt, und da musste ich manchmal bis zur Dunkelheit auf dem Rad bleiben, weil einfach nichts kam. Hier liegen Auto oder Motorrad klar im Vorteil.
Angenehm war, dass ich mein Rad immer sicher irgendwo unterstellen konnte. Auch der Transport beim Flug war letztlich kein Problem. An Reparaturen hatte ich einen Platten wegen Überladung, das Gewinde der rechten Kurbel ist im Eimer, und das Rücklicht geht auch nicht mehr. Aber weiterfahren konnte ich immer.
Beim letzten Pass, dem Tizi N'Test, merkte ich schon deutlich, dass die 3 Wochen auf dem Rad meine Kondition verbessert hatten, die Schiebe-Passagen waren wesentlich seltener, und es machte auch mehr Spass.
Wenn mich heute jemand fragt, ob lieber mit dem Rad, dem Motorrad oder gar mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Auto, so kann ich nur antworten, alles hat seine Vorteile, es kommt auf die Reise an. Den erhofften intensiveren Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung habe ich mit dem Rad in Marokko nicht bekommen, aber das kann in anderen Ländern anders sein.
Marokko ist kein Land, das man einmal im Leben gesehen haben muss. Für uns Europäer bietet es sich an, weil es vor der Haustür liegt, und so sind auch vor allem Spanier und Franzosen dort unterwegs. Die Landschaft ist vielfältig und trotz ihrer Kargheit sehr schön, die Menschen sind sehr lebendig und bunt, aber nicht in gewohnter Weise gastfreundlich und kommunikativ. Ich würde sicher ein zweites Mal nach Marokko reisen und mir gerne einen andern Teil anschauen, aber so richtig begeistert bin ich irgendwie nicht. Manchmal muss man ja ein zweites Mal hinsehen, um zu finden, wonach man gesucht hat.  

1 Kommentar:

  1. Lieber Uwe,
    du hast einige schöne Blogs zum Thema Radreisen. Gerne würde ich (als Teil der Redaktion des RADtouren-Magazins), dir dazu ein paar Fragen stellen, aber leider finde ich nirgendwo eine Kontakt-E-Mail-Adresse. Deshalb würde ich mich freuen, wenn du Kontakt mit mir aufnimmst über lisa.partzsch@radtouren-magazin.com
    Viele Grüße und weiter so!
    Lisa

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